Es ist nicht meine Absicht, durch diese Aufzeichnungen eine Zeit zu heroisieren, obwohl mancher Leser dieses in verschiedenen Passagen vielleicht meinen könnte. Nein, ich habe diese Zeit, die man auch das "1000 jährige Reich" nennt, wie jeder andere Angehörige des Geburtsjahrgangs 1925 einfach mitmachen und durchleben müssen. Dabei wechselten meine Empfindungen öfter zwischen Begeisterung und Enttäuschung. Durch die langjährige politische Indoktrination in der Schule, im Jungvolk und der Hitler-Jugend, waren wir jungen Leute - jedenfalls die meisten von uns - dem Zeitgeist erlegen und standen dem Hitler-Regime, wie auch der überwiegende Teil der gesamten deutschen Bevölkerung, unkritisch gegenüber. Das ist uns sehr viel später erst bewußt geworden, was es heißt, in einer Diktatur zu leben, die von einer Clique fanatischer Ideologen bestimmt wird, wo jede Opposition lebensbedrohend war und wo Rassenwahn herrschte. Die Mehrzahl der Volksgenossen hatte völlig falsche Vorstellungen, was in den Konzentrationslagern (KZ), vor sich ging, daß Juden, Zigeuner, Oppositionelle, u.a. Menschen dort - auf welcher Weise auch immer - umgebracht wurden. Und wenn heute tausendmal die Frage an unsere Generation gerichtet wird: "Warum habt ihr das alles zugelassen?", so werden wir ehrlich antworten, daß wir das zu der Zeit nicht gewußt haben.
Werner Brähler